Kunsthallenchef Friedrich Meschede (v.l.), Sammler Hermann-Josef Bunte, Kuratorin Jutta Hülsewig-Johnen mit Stenners-Selbstbildnis (1912). Ausstellungsmacher | Foto: Sarah Jonek

Bielefeld. 1974 hat Hermann-Josef Bunte seine Leidenschaft für das Werk Hermann Stenners entdeckt – in der Kunsthalle Bielefeld. Der Rechtsanwalt wurde zum Kunstsammler. 950 Werke umfasst seine Sammlung heute. 40 Jahre später kehrt Bunte nun zurück in die Kunsthalle. Unter dem Titel „Das Glück in der Kunst“ zeigt das Haus knapp 400 Werke aus seiner Sammlung. Im Zentrum steht dabei die große Liebe des 72-Jährigen – das Werk Hermann Stenners (1891-1914).

„So ist meine Sammlung noch nie gezeigt worden“, freute sich Bunte gestern beim Presserundgang. Und Kuratorin Jutta Hülsewig-Johnen betonte: „Das ist die größte Stenner-Sammlung, die es gibt. Es ist schön, dass wir sie zusammen mit anderen Werken wichtiger Künstler aus dieser Zeit jetzt hier zeigen können.“ Und Kunsthallendirektor Friedrich Meschede forderte gar: „Bielefeld muss dafür sorgen, dass die Sammlung in der Stadt bleibt – in einem Museum.“

Mit Stenner ist ein Maler zu entdecken, der im Jahr 1907 seinen Weg an die Werkkunstschule in Bielefeld fand und seine Kunst von impressionistischen Anfängen über eine expressive Phase zur Abstraktion und Unabhängigkeit des künstlerischen Ausdrucks vorantrieb. Doch sein eruptiver künstlerischer Ausbruch, er schuf rund 1.700 Bilder in nur fünf Jahren, wurde jäh beendet.

Stenner starb am 5. Dezember 1914 während des Ersten Weltkriegs als Soldat an der Ostfront. Willi Baumeister war sich 1950 sicher: „Stenner wäre einer der besten Maler Deutschlands geworden.“ Grund genug also, diesen Ausnahme-Künstler in Bielefeld nach einer Ausstellung im Jahr 2003 erneut zu zeigen und nun auch seines 100. Todestages zu gedenken.

Die sorgfältig kuratierte, bildmächtige Schau setzt mit dem Westfälischen Expressionismus ein. 18 Maler und ihre Werke sind ausgestellt. Victor Tuxhorn, Ernst Sagewka, Conrad Felixmüller und Peter August Böckstiegel sind ihre herausragendsten Vertreter. Expressive Landschaftsbilder, Bauern bei der Feldarbeit, Porträts und Stadtansichten sind versammelt. Grelle Farben dominieren. Doch Stenner, der Böckstiegel skeptisch gegenübersteht, will weiter, will raus aus Bielefeld. Über seine Heimatstadt notiert er: „Anstatt einen zu fördern, bremst diese ganze Bielefelder Gesellschaft nur.“

1909 bricht Stenner auf – nach München. In Dachau und am Ammersee malt er – Landschaften, Menschen. Ruhiger, impressionistischer wirken seine Arbeiten. Ende 1910 bricht Stenner erneut auf – nach Stuttgart in die Malklasse von Adolf Hölzel. Der wird zu seinem wichtigsten Lehrer. Und Stenner findet zu einem ganz neuen, immer abstrakter werdenden künstlerischen Ausdruck – bis hin zu kubistischen Formen.

Arbeiten von 21 Hölzel-Schülern zeigt die Kunsthalle. Und auch der Lehrer selbst ist mit seinen „Schriftbildern“, kleinen malerischen Arbeiten samt oft dadaistischen Texten, vertreten. Zusammen mit Stenners Papierarbeiten, denen oft ein gewisser Witz eigen ist, sind sie in einem Saal in enger Petersburger Hängung zu entdecken. Bunte: „Hier zeigen wir massenhaft Klasse.“ Und in der Tat: Allein dieser Raum ist einen Besuch der Ausstellung wert.

Überhaupt ist die zweite Etage der Kunsthalle die spannungsreichere. Stenners Landschaftsbilder aus der Eifel, sein „Heilger Sebastian“, das „Selbstbildnis im Roten Kostüm“ und „Kubistische Figur mit Häusern“ beeindrucken, zeigen, wie er einen Weg in die Abstraktion findet. Er selbst schreibt: „Jetzt geht es ans Komponieren.“ Die Wirklichkeit spielt keine Rolle mehr. Und setzte Stenner zunächst noch auf expressive Farbigkeit („Grüne Frau mit gelbem Hut“), so nimmt er diese nun zurück. Dunklere Farben dominieren.

An der Stirnwand sind seine letzten großen Werke von 1914 gehängt: „Auferstehung“ und „Dame mit Lilie“. Stenner scheint seinen Weg gefunden zu haben. Am 1. August bricht der Erste Weltkrieg aus. Am 30. November schreibt der 23-Jährige eine Postkarte an seine Eltern. „Morgen geht’s an den Feind“, steht da. Am 5. Dezember stirbt Stenner. In einem gesonderten Saal wird in dieser überzeugenden Ausstellung weiterer zu früh gefallener Künstler gedacht. Sehr sehenswert!

Der Sammler und die Ausstellung
Hermann-Josef Bunte wurde am 22. Dezember 1941 in Papenburg geboren. Der Rechtswissenschaftler sammelt seit 1974 Kunst. Von 1969 bis 1986 Lehrtätigkeit an der Uni Bielefeld, Richter am Landgericht Bielefeld. 1986 bis 2001: Professur an der Uni der Bundeswehr in Hamburg und Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg. Seit 2004 arbeitet Bunte als Rechtsanwalt für Kartellrecht und Bankprivatrecht. Seit 2012 lebt der Kunstsammler wieder in Bielefeld. Seine Kunstsammlung umfasst 950 Bilder. Die Ausstellung „Das Glück in der Kunst“ wird am Freitag, 21. März, um 19 Uhr eröffnet. Zu sehen ist sie bis zum 3. August. Zu der Ausstellung erscheint ein Katalog. Im Buchhandel 39,95 Euro, in der Schau 29 Euro.

Verlängerung der Ausstellung bis zum 17.08.2014!

Stefan Brams, Neue Westfälische

Weitere Informationen zur Ausstellung gibt’s unter www.kunsthalle-bielefeld.de